Die Kunst des konstruktiven Zeichnens
Zur geschichtlichen Entwicklung technischer Bilderwelten
Das Buch „Die Kunst des konstruktiven Zeichnens. Zur geschichtlichen Entwicklung technischer Bilderwelten“ ist eine Publikation aus der Buchreihe „Technik und Arbeitswelt“. · Es ist ein Versuch, die gesamte Entwicklung der Darstellung technischer Objekte, von den prähistorischen Anfängen 30000 Jahre vor unserer Zeitrechnung bis zur Gegenwart, darzustellen. Die Kulturgeschichte der Technik wird geprägt durch Veränderungen. Diese Veränderungen zeigen sich besonders deutlich in der langen Geschichte der Ausdrucks- und Darstellungsformen. Es gab eine Vielzahl an Einflüssen, wie die Entwicklung unterschiedlicher Schriftsysteme, die Verwendung abstrakter symbolischer Formen in den Darstellungen, Einflüsse unterschiedlicher Kulturen, Weiterentwicklung der verwendeten Mittel zum Zeichen und der Materialien der Zeichenflächen, um nur einige zu nennen. Am Anfang waren die Darstellungen von „Objekten der Technik“ nur Beiwerk bei der Dokumentation von bedeutenden Ereignissen oder kultischen Handlungen. Häufig als Lineardarstellungen von Umrissen oder einfachen Petroglyphen. Die Inhalte veränderten sich in Abhängigkeit von den Entwicklungsstufen des Menschen im Laufe der Zeit radikal. Von den frühen Jägern und Sammlern findet man bei den einfachen Abbildungen technischer Objekte häufig Waffen und Werkzeuge. Bei den frühen bäuerlichen Gesellschaften sind es, neben den Abbildungen von Waffen, landwirtschaftliche Geräte und Mittel für den Transport von Waren. Im Mittelalter kamen konstruktiv geplante, größere Maschinen und mechanisch komplizierte Einrichtungen hinzu. Erwähnenswert sind die Erfindungen diverser Kriegsmaschinen, die Entwicklung von Mühlen und Großeinrichtungen zur Wasserhaltung. In der Renaissance wurden die Darstellungsformen stark durch die Anwendung geometrischer Gesetze der Perspektive geprägt. Einen Unterschied zwischen den „technischen“ und den „künstlerischen“ Darstellungen gab es bis zum Ende des 18. Jahrhunderts nicht. Der Begrif ,,Kunst des konstruktiven Zeichnens“ bezieht aus dieser Phase seine Berechtigung. Im 19. Jahrhundert wurde die aus der Wissenschaft der Geometrie bekannte senkrechte Parallelprojektion im konstruktiven Zeichnen übernommen. Damit trennten sich die Wege beim Zeichnen von „Technik“ und ,,Kunst“. Die Parallelprojektion beim technischen Zeichnen erforderte eine neue Art des Sehens und Denkens. Diese Art war für die Allgemeinheit und die klassischen Künstler weitgehend unverständlich. Sie ist es bis heute geblieben.
Im 19. Jahrhundert wurde aus der „Kunst des konstruktiven Zeichnens“ ein Zeichenhandwerk mit allen Merkmalen handwerklicher Arbeit. Der manuelle Charakter blieb. Mit dem Vordringen der digitalen Datenverarbeitung im 20. Jahrhundert übernahmen Rechner und digitale Zeichenmaschinen die Zeichenarbeit. Die computergesteuerten Werkzeugmaschinen machten dann bildliche Darstellungen weitgehend überflussig. Durch die internationale Vernetzung von digitalen Konstruktionsprozessen, der digitalen Produktion und digitaler Logistiksysteme ist eine Produktion vollständig ohne analoges Bildmaterial möglich. Vermutlich ist der Beginn des 21. Jahrhunderts die letzte Phase in der Entwicklungsgeschichte des konstruktiven Zeichnens, in der noch Personen in dieser „analogen Welt“ gearbeitet haben. Es sind die Letzten, die authentische Einblicke in das Lebens und Arbeitens in dieser Welt geben können. Das Wissen wird danach für immer verschwunden sein.
Mit dem Verschwinden des konstruktiven Zeichens ist als erstes die Berufsgruppe der ,,Zeichner“ überflüssig geworden. Mit verschwunden sind ganze Industriezweige, deren Aufbau- und Ablauforganisationsformen auf dem durchgehenden Gebrauch von Zeichnungen beruhten. Tiefergehender und schwer zu fassender sind aber die Veränderungen der mentalen Prozesse bei den handelnden Personen. Die Veränderungen sind umfassend gewesen. Die Bilderwelt der Konstruktionszeichnungen bestimmte das „technische Denken“ aller Beteiligten. Die Methodik des Problemlösens, die Entwicklung der Lösungen, alles war an bildlichen Darstellungen gekoppelt. Das „technische Denken“ war ein Denken in Bildern, genauer in Parallelprojektionen. Für ein Denken in digitalen Systemen ist das menschliche Gehirn nicht vorgesehen. In der Praxis hilft man sich durch analoge Veranschaulichungen an Bildschirmen oder in Papierform. Ein weiteres Problem bleibt der Gewinn an Effizienz. Beim Arbeiten in digitalen Systemen geht er nicht immer mit einem Gewinn an Konstruktionsqualität einher. Hier sind nicht nur sinnentleerte Funktionen gemeint, die man realisiert, weil man es kann, sondern notwendige Funktionen, die nicht oder sehr eigentümlich funktionieren. Aus der Welt des konstruktiven Zeichnens muss ein Bereich mit seinerzeit erheblicher praktischer Bedeutung hervorgehoben werden, der heute erinnerungslos verschwunden ist. Das ist die Wissenschaft von den graphischen Verfahren der Technik. Sie waren früher, vor dem Einsatz nmerischer, digitaler Verfahren, oft die einzigen Möglichkeiten, komplizierte Auslegungsprobleme im Maschinen-, Stahl- und Brückenbau zu lösen. Durch die Fortschritte bei diesen Verfahren wurden viele Neuerungen erst möglich.
Dem konstruktiven Zeichnen wird heute keine große Bedeutung in der Kulturgeschichte im Allgemeinen und in der Kulturgeschichte der Technik im Besonderen beigemessen. Trotzdem gibt das rückstandsfreie Verschwinden eines bedeutenden Teils der Arbeitswelt zu denken. Mit derartigen Verlusten ist immer ein Verlust an Gemeinschaft, an Tradition, an Wissen und Identifikation verbunden. Die im Arbeitsprozess vorhandene Identität von technischem Denken, Denken in abstrakten Bildern, die besondere Methodik beim Lösen von Problemen, die Unmittelbarkeit von Planungshandlungen und -folgen sind verloren gegangen. Die Grenzen des eigenen Produktionssystems sind belanglos geworden. Sie haben sich in der digitalen Welt aufgelöst. Diese Veränderungen können im gesamtgesellschaftlichen Rahmen auch negative Folgen haben. Umso wichtiger ist es, diesen Teil der Kulturgeschichte der Technik in Erinnerung zu behalten. Das wesentliche Problem besteht darin, dass es wenige präsentable „Artefakte“ gibt. Die Lösungsprozesse fanden nicht sichtbar in den kognitiven Systemen der Menschen statt. Zeichnungen und Graphiken sind für die Allgemeinheit unverständlich. Aufwendige Darstellungen des konstruktiven Zeichnens sind längst vernichtet.
So nutzen Sie diesen Service
Die Publikation die „Die Kunst des konstruktiven Zeichnens“ beschreibt das Thema in 23 Kapiteln. Die geschichtliche Entwicklung technischer Darstellungen, die geometrischen Grundlagen, die Arbeitsmittel, die Organisation der konstruktiven Arbeit und die zeichnerischen Verfahren werden behandelt. Es werden weitgehend zeitnahe Originaldokumente verwendet. Im Allgemeinen werden sie unverändert übernommen.
Die in der folgenden digitalen Kopie aufgenommenen Inhalte sind ein Auszug aus der Publikation. Relevante Inhalte sind unverändert geblieben. Die vielen Beispiele von Darstellungen technischer Objekte wurden auf das Wesentliche beschränkt. Der gesamte Anhang wurde nicht wiedergegeben. Die einzelnen Anhänge vertiefen zwar bestimmte Aspekte des konstruktiven Zeichnens, sind aber für das Allgemeinverständnis nicht erforderlich. Einige der frühen Originaldarstellungen technischer Objekte sind aufwendig koloriert. In der digitalen Kopie werden sie schwarz-weiß wiedergegeben. Zum Verständnis ist das ausreichend.
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